Typisch Chinesen? Einige Facetten der chinesischen (Geschäfts-)Kultur

Auch in der Geschäftswelt sollte man auf kulturelle Unterschiede achten.
Auch in der Geschäftswelt sollte man auf kulturelle Unterschiede achten.

Im Zuge meiner zahlreichen Beratungs- bzw. Schulungsstunden tauchten seitens der Klienten, die mit chinesischen Geschäftspartnern und Kunden zusammenarbeiten, immer wieder Fragen darüber auf, wie man sich Menschen aus einem völlig anderen Kulturkreis gegenüber verhalten und mit ihnen umgehen soll. Visitenkarten mit zwei Händen überreichen? Geschenke für Geschäftspartner mitnehmen? Hierarchie beachten?  Shi 是 (Ja), Bushi  不是 (Nein) unterscheiden? ...  Ja, ist alles richtig. Ich möchte nun auf einige Facetten der chinesischen Geschäftskultur etwas näher eingehen.

Kollektivismus

In vielen interkulturellen Modellen (z.B. Hofstede) wird die chinesische Kultur als "kollektiv" eingestuft. Menschen handeln nicht im eigenen, sondern im Interesse der Gemeinschaft  – es ist also eine "Wir-Gesellschaft", in der das "Ich" eine untergeordnete Rolle spielt. Die Wurzeln können zurückverfolgt werden bis zu Konfuzius 孔子 (551-479 v.Ch.) und dessen Lehren: Harmonie und Ordnung in der Gesellschaft sind von größerer Bedeutung als die eigene persönliche Verwirklichung. 

 

Das "Wir-Denken" ist jedoch nur innerhalb einer engen Gruppe (z.B. Familie und Verwandtschaft oder kleine Gruppen von Freunden/Arbeitskollegen) vorhanden. Loyalität und Gruppenzugehörigkeit haben einen höheren Stellenwert als Unternehmensinteressen oder sogar Gesetze. 

 

Außerhalb der Gruppen herrscht Individualismus vor. Hier gilt "Wir vor allen Anderen": Solang es "uns" gut geht, ist es egal, ob es den "anderen" passt oder nicht. 

 

Die jüngeren Generationen sind vom Individualismus stärker geprägt als die 50+.  Ein Grund dafür könnte die Kulturrevolution sein. Während dieser Zeit war Denunziation - sogar innerhalb der eigenen Familie - an der Tagesordnung, einfach um zu überleben! Ein weiterer Grund könnte die Ein-Kind-Politik sein. 4-2-1: 4 Großeltern, 2 Eltern und 1 Kind. Alles für MICH, den kleinen Kaiser.

 

Dieser Mix von "In-Group"-Denken und Individualismus ist der Hauptgrund für den oft beklagten Mangel an Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber.

Guanxi 关系 (Beziehungen)

Guanxi (Beziehungen) sind langfristig aufzubauen.
Guanxi (Beziehungen) sind langfristig aufzubauen.

Guanxi 关系 (Beziehungen) spielen im chinesischen (Geschäfts-)Leben bekanntlich eine bedeutende Rolle – gute Guanxi sind die Grundlage für das Vertrauen, auf das alle Geschäftsvorhaben aufbauen. Nach der konfuzianischen Lehre ist man verpflichtet, das Wohlergehen von Familie und Freunden zu verbessern. Die langfristigen und komplexen Netzwerke brauchen Jahre, wenn nicht Jahrzehnte für ihren Aufbau. Ausländische Unternehmer benötigen sehr oft einen Brückenbauer, um in ein solches Netzwerk zu kommen und sich dort auch zu etablieren. Dennoch sollte man nicht immer den vielen "Ich-bin-ein-Freund-von-dem-und-dem"-Geschichten Glauben schenken. 


Guanxi beschränken sich jedoch nicht nur auf China – im deutschsprachigen Raum nennt man das "Vitamin B",  in Österreich gibt es die "Freunderlwirtschaft".  Man sollte darauf achten, wo die Grenzen zu Korruption oder Interessenkonflikten liegen. 


Guanxi sind nützlich und es ist gut, dass man sie hat, wenn man sie braucht. Guanxi bedeutet jedoch nicht alles für den Geschäftserfolg.

Mianzi 面子 (Das Gesicht)

Es gibt zwei Gesichter: "Mianzi 面子" – hat mit Status und Prestige zu tun – und "Lian 脸" – dabei geht es um Moral und Anstand. Das Konzept stammt von Konfuzius als Ansporn für korrektes Verhalten. Gesicht ist eng mit Schamgefühl verbunden. 


Man sollte darauf achten, dem Geschäftspartner das Gesicht zu geben und sich so zu verhalten, dass dieser es auch wahren kann. So sollte man z.B. keinesfalls einen Vorgesetzten vor seinen Mitarbeitern offen kritisieren. Wer einen chinesischen Kunden oder Geschäftspartner zum ersten Mal besucht, sollte möglichst seinen "Chef" mitnehmen, um Respekt zu zeigen und seinem Gegenüber das Gesicht zu geben. 

Li 礼 (Riten – Höflichkeit – Geschenke) 

"Li" 礼 ist eine der fünf Tugenden des Konfuzianismus. Übersetzt als "Sitte", "Ritus" oder "Etikette" bezeichnet "Li" die Verhaltensformen, die einen guten Menschen und eine intakte gesellschaftliche Ordnung ausmachen. Rollen in der Gesellschaft und angemessene Verhaltensweisen werden darin klar definiert. Durch die klaren Rollendefinitionen entsteht ein hierarchischer Managementstil im Unternehmen. Entscheidungen werden meist top-down getroffen. 


Interessanterweise bedeutet "Li" auch Geschenk. Man sollte dem Geschäftspartner immer eine kleine, landestypische Aufmerksamkeit aus der Heimat mitnehmen – entweder Süßigkeiten, Handwerkskunst, eine CD, eine Füllfeder, oder auch eine Uhr – es muss jedoch unbedingt eine Armbanduhr sein (Biao 表). Alle anderen Uhrentypen heißen Zhong 钟, ein Homophon von 终 (Ende/Tod).

Zhong Yong 中庸  (Die goldene Mitte)

"Zhong Yong Zhi Dao 中庸之道" – der Goldene Mittelweg, war eine der vier klassischen Schriften des Konfuzius. Zhong Yong bezeichnet einen mäßigen, ruhigen Gemütszustand und einen harmonischen, sorgfältigen Umgang mit anderen. Bescheidenheit, Zurückhaltung und Unauffälligkeit gehören zu diesem Mittelweg. "Ein Mensch fürchtet sich davor, berühmt zu werden, ein Schwein davor, fett zu werden", besagt ein chinesisches Sprichwort. Berühmte Menschen werden beneidet und kritisiert, fette Schweine werden zuerst geschlachtet. 


Anderseits sind auffällige Statussymbole im heutigen China gang und gäbe. Nach Jahrzehnten proletarischer Gleichheit möchten wohlhabende Chinesen ihren Reichtum (Gesicht – siehe oben) nun öffentlich zur Schau stellen. Deswegen ist das Reich der Mitte bereits der Nummer-Eins-Absatzmarkt vieler Luxusmarken. Ebenso ist im B2B-Bereich die Marke ein Statussymbol: europäische CNC-Maschinen oder hochpreisige ERP-Systeme werden nicht nur ihrer Leistungen wegen angeschafft, es geht auch ums Prestige. 

Conclusio

Die oben genannten Facetten sind nur ein paar Beispiele für die Vielseitigkeit der chinesischen Geschäftskultur. Wenn man mit Chinesen zusammenarbeitet, sollte man nicht nur die oberflächlichen Erscheinungen wahrnehmen, sondern auch deren Wurzeln verstehen. Bekanntlich scheitern mehr als 70% internationaler Unternehmungen nicht an Ressourcen oder Qualifikation, sondern an kulturellem Unwissen.

Ein letzter Tipp: nehmen Sie an einem unserer Seminare zum Thema „Business-Kultur in China“ teil. Details siehe hier.

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